Mittwoch, 24. Oktober 2012

FÜR DICKE UND DÜNNE: Bett-Bücher, melancholische Fußballer, rechtsdrehende Links-Philosophen und theologische Klassiker


Fortsetzung der Serie "31 Fragen an Bücherleser:innen", die BenHuRum, Morel und ich beantworten.

Most Beds are Beds 

For sleeping or resting,

But the best Beds are much

More interesting!
(Sylvia Plath: The Bed-Book)



Mein Projekt „31 Fragen an Bücherleser:innen“ kommt mindestens so zügig und zielstrebig voran wie der Bau des Willy-Brandt-Flughafens. Trotz- und alledem, jetzt geht´s weiter mit Nummer

22. Das Buch in deinem Regal, das die meisten Seiten hat 
Keine Lust nachzuschauen. Wenn alle vier Bände zusammengezählt werden dürfen, dann sind es vielleicht die "Jahrestage. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl“ von UweJohnson. Oder  doch die „Ästhetik des Widerstands“ von Peter Weiss? (Der Grund, warum ich es nicht überprüfe, ist noch durchschaubarer als Faulheit: Ich will mir die Chance nicht entgehen lassen, diese beiden „Lieblings-Bücher“ hier noch einmal zu erwähnen.) Es kann auch sein, dass es "Dein Name“ von Navid Kermani ist; ein Buch (möglicherweise kein Roman, auch wenn´s drauf steht), das ich empfehlen kann und gegen dessen „Besprechung“ auf diesem Blog ich mich trotzdem entschieden habe: darum.

Morel belehrt mich auf Nachfrage jedoch sofort eines Besseren: „Das Buch mit den meisten Seiten, das wir haben, ist sicher die Bibel.“ Das stimmt wohl, wenn ich drüber nachdenke. 

Im Haushalt von BenHuRum herrscht das gewohnte Chaos (unterstelle ich einfach mal dreist, obwohl ich nur telefonische Kunde eingeholt habe). Außerdem kann er auch grade keine Buchseiten umschlagen, weil er die Hände voll Kleister hat (Ich frage nicht nach!) Er nimmt von Ferne eine Schätzung der Buch-Rücken-Breite vor und entscheidet: Es ist das Werkverzeichnis des Künstlerpaares Ilya und Emilia Kabokov.


23. Das Buch in deinem Regal, das die wenigsten Seiten hat
Ich lasse mal die ganzen Broschüren und Kataloge weg,  die ich sammle, die kleinen Ausstellungs- und Opernführer, die Theaterprogrammhefte usw. Stattdessen entscheide ich mich (wieder ohne exakte Überprüfung) für ein weiteres Lieblingsbuch, das mir vor mehr als 20 Jahren eine Kollegin schenkte (Damals arbeitete ich noch in Buchhandel und Verlag.): „Das Bett-Buch“ von Sylvia Plath mit Zeichnungen von Rotraut Susanne Berner.

Morel weiß zunächst keine Antwort auf diese Frage. Dann fällt ihm doch noch eine eine ein: "Zidanes Melancholie" von Jean-Philippe Toussaint.

BenHuRum findet dünne Bücher „überhaupt nicht interessant“. Eines der besonders uninteressanten und sehr, sehr dünnen sei unter dem Titel „ Rechtsdrehende Milchsäure im Bauch des Links-Hegelianers“ von einem anonymen Autor (mutmaßlich männlich und mit Verdauungsproblemen) erschienen.

Kenne ich genauso wenig, wie ich die metaphysische Überhöhung des französischen Ball-Künstlers Zidane gelesen habe. Ich gebe nämlich BenHuRum recht: Zu dünne Bücher sind "nicht interessant", mindestens einen Rücken müssen sie schon haben, sonst wirken sie irgendwie rück-ratlos.


24. Das Buch, von dem niemand gedacht hätte, dass du es liest
Das ist schwierig, denn woher soll ich wissen, was „die Leute“ denken. Die mich kennen, glaube ich, machen sich wenig Illusionen darüber, was ich alles lese: Auch Cora-Hefte, Graphic Novels, Kochbücher,  Fußballbücher oder „Harry Potter“. Tatsächlich lese ich keine Handarbeitstipps und keine Bastelanleitungen. Was aber nur wenige wissen, ist, dass ich gelegentlich theologische Schriften lese. Zum Beispiel Karl Barths: Dogmatik im Grundriss.

Morel macht es sich leicht: „Siehe unter 22.“, sagt er. (Vor allem das Alte Testament hatte es ihm angetan, behauptet er.)

BenHuRum grübelt. „Dein Name“ von Navid Kermani? Warum sollte jemand annehmen, dass er das nicht lesen würde? Eben. „Hast du viellleicht ´Shades of Grey´ gelesen?“ , versuche ich zu provozieren.  Das bringt ihn drauf: „Angst vormFliegen“ von Erica Jong.

Und damit wär´n es nur noch 7 (weitere Fragen an Bücher:leserinnen). Wir schaffen das noch bevor der Willy-Brandt-Flughafen eröffnet wird. Bestimmt.


...
Or a Jet-Propelled Bed

For visiting Mars 

With mosquito nets

For the shooting stars
(Sylvia Plath: The Bed Book)

2 Kommentare:

  1. Ganz wunderbar! Vor allem über die rechtsdrehenden Linkshegelianer habe ich mich den ganzen Nachmittag gefreut und leise vor mich hin gekichert.

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    1. So etwas liest nur der BenHuRum . Ich käme nie drauf. Später erzählte er mir auch noch von einem Buch, das viel besser in die Kategorie "Ein Buch, von dem niemand gedacht hätte, das du es liest" gepasst hätte: "Im tiefroten Tal der zirkumsierten Bluter" oder so ähnlich heiße das. Aber wir waren dann doch ganz froh, dass ich das nicht geschrieben hatte. Nach dem Ärger mit den Hegelianern und den Nietzscheianern, können wir jetzt nicht noch Ärger mit den religiösen Fundamentalisten brauchen. Wir stecken nämlich tief in der Arbeit -analog zu dem, was der Künstler in BenHuRums Lieblingsbuch Oberton im Reisfeldmit dem Reiskorn macht - den Zahnstochersplitter nachzubauen, der in Karl Marx´ Bart gefunden wurde. Eine Sisyphos-Arbeit, zumal wir mit Papp-Kügelchen (00000000,1 mm Durchmesser) arbeiten. Deshalb dürfen wir uns gerade jetzt, in dieser schwierigen Phase, nicht in ideologische Debatten verstricken. (Was uns ohnehin nie gelingt, weil uns keiner ernst nimmt. Ich versteh gar nicht, warum.).

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