Die
beiden sind lokale A-Prominenz: Die edle Stute und der rotnasige Säufer. Die
Sitzordnung ist so gewählt, dass es auch die Dümmste merken muss, wer hier das
Sagen hat. Es gibt einen zentralen Tisch. Da sitzen nur Paare, die von
Bedeutung sind. Selbstverständlich wurde zu dieser Veranstaltung überhaupt nur beste Gesellschaft gebeten (Jahreseinkommen nicht unter € 150.000), auch an den Nebentischen.
Aber nicht jeder, der ordentlich verdient, schafft es in den inneren Zirkel. Da
gehört schon noch etwas mehr dazu als ein sehr gutes Einkommen, ein heterosexuelle Partner, ein
maßgeschneiderter Anzug oder ein Designer-Kostüm: Die richtigen Verbindungen,
die entsprechenden Bürgen, Verwandtschaft, Bekanntschaft, Golf-Club, Weingut, Stiftungsvermögen, Ehrenämter,
Ferien-Villa am Comer See.
Hier
gelten noch die Prä-Gender-Regularien: Männer schaffen was und Frauen sehen
nach was aus.* Wer eine Frau hat, die man vorzeigen kann, bringt sie mit. Wer eine hat,
die sich selbstgeerbten Schmuck um den Hals hängen kann, führt sie aus. Frauen sind
in diesem Milieu Trophäen: Schönheit oder Geld. Die Schönen sind teuer erkauft
und fünfzehn bis zwanzig Jahre jünger als der Herr an ihrer Seite und die weniger
Schönen sind Erbinnen von Einfluss oder Vermögen. Wer es bis hierher schafft,
hat die weniger glamouröse oder
weniger betuchte Frau, an die er beim Studium oder während der Aufstiegsphase vielleicht geraten
war, längst abgeschrieben wie einen unvermeidlichen Wertverlust. Da lässt sich bisweilen sogar noch was draus machen: meine erste Frau, die frigide Emanze,
meine erste Frau, die geile Schlampe, meine erste Frau, die geldgierige Hyäne,
meine erste Frau, die verhuschte Versagerin. So eine erste, abgelegte Frau,
wenn man denn eine hat, gibt zu vorgerückter Stunde einen dankbaren
Gesprächsstoff her.
Doch in Hörweite der langnasige Pferde-Frau, selbstverständlich, ist das Thema unangebracht. Es sei denn, der Alte bringt es auf. Ihm sieht sie das nach. Sie hat in diese Ehe mit- und eingebracht, was dem
erfolgreichen Süchtigen aus einfachen Verhältnissen fehlte: die richtigen
Beziehungen. Auch er hatte ihr genau das zu bieten, was sie brauchte und sich
nicht selbst verschaffen konnte: den Hunger der Ungesättigten. Mehr. Weiter.
Reicher. Mächtiger. Er wollte es und er konnte es. Sie wird das gefühlt haben,
sofort. Ein Mann, der getrieben ist, gierig und leidenschaftlich. Vielleicht war das sogar mal sexuell anziehend. Dass er
sich auch über sie so hergemacht hat. Ist lange her. Wie sie es stets schafft, die derben Bemerkungen ihres schon leicht angedüdelten
Gatten auf arroganteste Weise zu ignorieren, ist bewundernswert. Das kann eine im Alter nicht mehr
lernen. Das braucht Jahrzehnte. Eine ungebrochene Sozialisation in besseren Kreisen.
Sie überragt ihn um Haupteslänge. Ellenlange Beine, klapperdürres Gestell (jeden Tag 10 km Joggen im Taunus), hohe Wangenknochen, griechische Nase, elegantes schwarzes Etuikleid, das ihre Hüftknochen betont. (Er reißt lautstark Zoten über Geschlechtsverkehr mit magersüchtigen Models, bei dem man sich gefährlich stößt. Die Herren lachen, manche gequält. Der eine oder die andere sondiert aus den Augenwinkeln die Reaktionen der Pferdedame. Sie wirkt ungerührt.) Um ihren faltigen, aber edel gestreckten Hals liegt dreifache eine Perlenkette, die kreischt: Echt! Echt! Echt!
Sie überragt ihn um Haupteslänge. Ellenlange Beine, klapperdürres Gestell (jeden Tag 10 km Joggen im Taunus), hohe Wangenknochen, griechische Nase, elegantes schwarzes Etuikleid, das ihre Hüftknochen betont. (Er reißt lautstark Zoten über Geschlechtsverkehr mit magersüchtigen Models, bei dem man sich gefährlich stößt. Die Herren lachen, manche gequält. Der eine oder die andere sondiert aus den Augenwinkeln die Reaktionen der Pferdedame. Sie wirkt ungerührt.) Um ihren faltigen, aber edel gestreckten Hals liegt dreifache eine Perlenkette, die kreischt: Echt! Echt! Echt!
Den
ganzen Abend treffen sich ihre Blicke kein einziges Mal. Sie brauchen einander nichts mehr zu bestätigen. Unwahrscheinlich, dass sie noch ficken. Ihr
macht das nichts aus, wenn er sich woanders schadlos hält. Sie traut ihm keinen
Geschmack zu (Bei der Inneneinrichtung der Villa hatte er auch nix mitzureden,
aber im Keller durfte er sich eine Bar einrichten. Eine überlebensgroße Nackte
an der Wand, blond, Körbchengröße D oder mehr, rasierter Intimbereich, knallrot
lackierter Hintergrund. Pop Art. Aber immerhin von einem aufstrebenden
Künstler. Das hat sie geschickt lanciert.). Er ist leider auch nicht allzu diskret. Was kann
man von so einem erwarten? Aber er weiß genau, was er an ihr hat. So viel
Verstand und Ehrgeiz kann er sich gar nicht weg saufen, dass er das vergisst.
Sie braucht dagegen keinen Liebhaber. Sie kann sich selbst helfen. Und hat sowieso andere Interessen. Geschmackvolle Freundinnen, das ist ihr am wichtigsten. Er hat sich eine Loge im Bundesligastadion gemietet. Warum denn nicht? Sie wird bestimmt keine Boutique eröffnen (Das ist was für die erworbenen Aufsteiger-Blondinen auf ihren Füße folternden Stöckelschuhen.) Sie steht einer Stiftung für krebskranke Kinder vor. Sie eröffnet demnächst eine mit Vorschusslorbeeren überhäufte Ausstellung zu den Malerinnen der Romantik. Sie verbringt viel Zeit bei der Maniküre. Hände sind wichtig. Er liebt nur sie, ungelogen, trotz allem. Nie hat er mehr Angst empfunden, als bei ihrer Brustkrebs-Diagnose. Das war hart. Er wäre, ahnt er, nach ihrem Verlust ruckzuck einem Weibsbild mit Silikonbrüsten und Schmollmund verfallen, das ihn vor jedermann lächerlich gemacht hätte. Sie ist die Beste.
Sie braucht dagegen keinen Liebhaber. Sie kann sich selbst helfen. Und hat sowieso andere Interessen. Geschmackvolle Freundinnen, das ist ihr am wichtigsten. Er hat sich eine Loge im Bundesligastadion gemietet. Warum denn nicht? Sie wird bestimmt keine Boutique eröffnen (Das ist was für die erworbenen Aufsteiger-Blondinen auf ihren Füße folternden Stöckelschuhen.) Sie steht einer Stiftung für krebskranke Kinder vor. Sie eröffnet demnächst eine mit Vorschusslorbeeren überhäufte Ausstellung zu den Malerinnen der Romantik. Sie verbringt viel Zeit bei der Maniküre. Hände sind wichtig. Er liebt nur sie, ungelogen, trotz allem. Nie hat er mehr Angst empfunden, als bei ihrer Brustkrebs-Diagnose. Das war hart. Er wäre, ahnt er, nach ihrem Verlust ruckzuck einem Weibsbild mit Silikonbrüsten und Schmollmund verfallen, das ihn vor jedermann lächerlich gemacht hätte. Sie ist die Beste.
Sie
weiß, dass er nachher noch ins Südfass geht. Wer mit ihm zu tun hat und unter ihm
aufsteigen will, wird sich anschließen. Manche müssen ihren Frauen wer weiß was
erzählen, wenn sie mit ihm ins Bordell pilgern. Sie schaut sich um. Es gibt
viele, Männer und Frauen, die sich über die Geschäftsbedingungen in diesem
Milieu was vormachen müssen. Sie legt den Kopf in den Nacken und lächelt an die
Decke. Die Mousse au chocolat ist großartig, wie immer hier. Sie liebt ihren
Mann, wie er ist. Er macht kein Hehl aus seinen Neigungen: Gib mir mal ´ne
Flasche Bier, lieber Skat als Schach, lieber Fußball als Golf. Zu ihrer Zeit konnte eine Frau aus ihrer Klasse zwar
schon studieren, aber kaum was draus machen. Einem Gockel im Büro den Kaffee
kochen. Oder einem Halbgott in Weiß assistieren. Sie hat sich umgeschaut und
gewusst: Lächerlich mache ich mich nicht. Dafür hat sie sich den ausgesucht.
Peinlichkeit ist sein Ressort. Sie hat sich nie für ihn geschämt. Sie hat das
ganz richtig eingeschätzt. Er war geil, gierig und skrupellos. Da konnte ihre
Mutter die Nase rümpfen über dessen Tischmanieren, so viel sie wollte. Er hatte die Energie, es ganz nach oben zu schaffen und sich dort zu
halten. Was hätte sie mit diesen überzüchteten Blaßgesichtern aus dem Kultur-
und Geldadel anfangen sollen, mit denen ihr Vater sie verbandeln wollte? Sie
brauchte einen wie ihn und sie hat ihn sich geangelt. Sie hat ihn
wirklich gern. Er sollte ein bisschen weniger trinken. Sie wird drauf achten,
dass der Koch etwas fettärmer kocht. Das merkt der gar nicht. „Eine
großartige Interpretation der Sinfonie in f-moll von Bruckner war das, in der
Tat.“, sagt sie zu ihrem Tischnachbarn. Der Arme sucht verzweifelt nach unverfänglichem Gesprächsstoff mit der Gattin seines Chefs. Seine aufgebrezelte kleine Frau
lässt sich vor Aufregung dauernd Wein nachschenken. Ihr Dekollete ist
gemeingefährlich. Das hat ihr Mann auch schon gemerkt. Besser er geht ins Südfass. Wirklich
besser.
Er
trägt einen Allerweltsnamen: Müller, Schmidt, Bauer oder so. Das macht nichts.
Man muss sich seinen Namen nicht merken.
Ihn vergisst man sowieso nicht. Ebenso wenig wie sie. Sie hat nie daran gedacht,
ihren klangvollen Geburtsnamen beizubehalten oder so eine alberne
Bindestrich-Verbindung dranzuhängen. Wer sie sieht, weiß ohnehin, aus welchem
Stall sie kommt. Was sie beide von
den ganzen Speichelleckern, Luschen und Erbengemeinschaften hier unterscheidet,
ist ihre unverdrossene und unverdrießliche Selbstgewissheit. Sie wissen, wer
sie sind. Sie brauchen keinen Schein zu wahren. Elite-Partner. Echte!
__________________
*Die Teilnahme an solchen Feiern beantwortet unmissverständliche die Soziologen-Frage, warum Frauen in den Führungsetagen nur spärlich vertreten sind.
Immerhin kaufen die manchmal Kunst.
AntwortenLöschen(und übrigens: ganz wunderbar alles beobachtet und beschrieben!)
AntwortenLöschen@immerhin - Das Wort passt zu den beiden, finde ich. Immerhin sind sie "echt" - können deshalb auch Kunst kaufen, die noch nicht "wertbeständig" ist. Weil sie sich´s leisten können, nicht nur finanziell, sondern auch weil sie die Trends setzen, statt ihnen hinterher zu laufen. Nicht dass ich sie sooo gut leiden könnte, die zwei ;-), aber lieber sind sie mir doch als die "Elite-Partner"-Inserenten, die sich nichts rausnehmen, sondern sich bloß wechselseitig als Statussymbole vorführen wollen, dabei sogar sich selber mehr Schein als Sein, blank poliert.
AntwortenLöschenDa ist er ja, der Text. Pferdefrau und Müller Rotnase. Super! Kommt mir schon vor als wäre ich dabei gewesen. Die Geschichte hat mir schon einmal jemand erzählt, 2011 in Frankfurt.
AntwortenLöschenStimmt. Ich erinnere mich. Manchmal dauert es etwas länger, bis ich eine Geschichte aufschreibe. Alles gärt...Manchmal verändert sich eine Geschichte im Laufe der Zeit, bis sie geschrieben ist, ganz arg. Manchmal nicht. Diese hier ist wohl im Wesentlichen so geblieben, wie sie auch vor einem Jahr war. Mein ganzer Laptop ist voll solcher Notizen, Anfänge von Geschichten, Hinweise für mich selbst, dass da noch was war. Ich fänd´s schön übrigens, wenn wir so einen Abend mal wiederholen könnten. Im Herzen von Afrika oder sonst wo...
LöschenAber sowas von gern! Erst recht im Herzen von Afrika. Auf einem Baumhaus sitzen, ohne Besteck die afrikanische Küche genießen und Ausschau halten was sich da unten so alles tummelt.
AntwortenLöschenDas kriegen wir bestimmt hin nächstes Jahr. Ich melde mich mal, wenn ich mal wieder länger frei habe.
Da freue ich mich drauf!
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