Fortsetzung zu "Ich küsse mein Leben in dich...Die Marten-Ehen"
Er
war also über Bord gegangen. Das ließ sie nicht gelten. Es musste heißen: Er
war von Bord gegangen. Andererseits: In der Fabrik der Engel war er baden
gegangen. Sie schüttelte sich. Vielleicht vor Lachen. Er hatte getan, wovon er
glaubte, dass es getan werden musste. So männlich. Dabei war er gar kein Mann,
auch wenn sie zwischendurch einmal versuchte hatte, daran zu glauben. Und wenn ich dich liebe, was geht´s dich
noch an? Als sie in der Bar gesessen hatten (War das in Rom gewesen oder
wo?) und sie seine Tränen zu trocknen versuchte. Wer achtet einen Mann, der
nicht weinen kann? Das alles spielte jedoch gar keine Rolle mehr. Vielmehr: Es
hatte zwischen ihnen beiden nie eine gespielt. Er war so wenig ein Mann gewesen
wie sie eine Frau. Sie waren männlicher und weiblicher als jede menschliche
Kreatur. Zeugend und gebärend. Triebhaft und bewahrend. Beschützend und
fliehend. Ach, was für ein vergebliches Spiel. Es gibt kein Entrinnen. Unter
uns brodelt es weiter in der mütterlichen Grotte. Wir waren uns dessen bewusst,
jederzeit, ohne etwas davon zu wissen. Man spricht unter den Sterblichen
immerzu von der unglücklichen Liebe. Wie
groß ist die Sehnsucht nach einem ungebrochenen Herzen.
Heilmann, wenn du zurückkehrst, wie
soll ich dich dieses Mal empfangen? Mörder. Heiler. Mann. Ich hätte gerne
Worte, schlicht und dumm, wie diese hier: „Ich werde dich immer lieben.“
(„Einst ward ich gewahr, dass alle die Wesen, die aus dem Meere gestiegen
waren, wieder zu ihm zurückkehrten, und sich in wechselnden Formen erzeugten.“)
Wir könnten das Almuth in den Mund legen. Almuth ist blind, aber nicht stumm.
Du hast ihr die Augen herausgeschnitten, wie der Teufel es dir befahl. Ach,
Heilmann. Warum hast du dem Teufel vertraut? Als wer soll dein Sohn ewig leben?
Willoughby, den ich zwischen meine Schenkel klemme? Am liebsten schriebe ich
dir wie sie: „Deine Frau und Freundin“. Dann...
Sie
lachte schauerlich. Wie er sie unter das Bett zusammengefaltet hatte. Und sie
war doch davon geschwommen. Wenn sie es wollte, war überall mehr Meer. Und sie sah mit den Augen der Unsterblichen
die Fülle der Welt. Heilmann musste doch jetzt für immer an der Reling stehen und seinem sterbenden Sohn winken. Er wird nicht mehr töten, sein Sohn.
Er wird die Qualen tragen. Selbst. Ein makelloser Mann, sterbensmüde, der mit
Freund und Feind in die Luft fliegen wird. Wie konntest er die Barrier vergessen?
Wir machen keine Geschichte. Wir sind.
War er einmal schön, so schön, dein
Sohn, mein Willoughby, dass ich ihn zu meinem Geliebten machte? Trug ich sein
Kind unter dem Herzen, deinen Enkel, Heilmann? Das ist doch alles gelogen. Wir können nicht
lieben, nur begehren. Wir laufen aneinander vorbei. Ich habe nur einmal
gefühlt, wer ich bin: Als ich mit dir am Ufer stand. Aber in Wahrheit sind wir
immer schon in den Wogen. Wir können nicht springen. Dagegen kämpftest du mit
der Bilderflut, den Bücherbergen, den Alkoholexzessen. Heilmann, du warst
klüger, als du unmenschlicher warst.
Schnee,
sie dachte plötzlich an Schnee. Sie hatten einmal gemeinsam nach draußen
geschaut, wie die Flocken über der Straße tanzten. Sie hätten dort bleiben
sollen. Schauend und staunend. Oder am See. Wie sie es stets vermieden hatten,
einander an den Händen zu berühren. Nur einmal hatte sie ihn gepackt. Ein
Versehen. Sie hatte ihn für den anderen gehalten, für seinen Sohn, den sie
verführen wollte. In Wahrheit hatte sie geweint, als der Rauch über den
schneebedeckten Dächern aufgestiegen war.
Aber ich wusste nicht, dass es dein
Sohn war. Ich wollte Almuth bestrafen, dabei war sie damals noch nicht einmal
geboren. Ihre Augen waren übrigens blau, vergiss das nicht. Der Teufel hat dich
teuflisch betrogen, als er dir das goldene Licht vorgaukelte. Ich kenne den
Teufel gut. Ich spreche, wie er, die Sprache der Liebe. Versteh das bitte nicht
als Hohn.
Heilmann
riss die Kabinentür auf: „Bist du nun zufrieden?“ Er war entschlossen,
zuzuschlagen. Warum hatte sie ihn bloß so gereizt? Das Plätschern mit der Flosse
in der Wanne. Hatte sie gedacht, dass er Almuths Opfer annehmen würde? Dass er
den bösen Hinterhalt nicht durchschaute? Keine Frau opfert sich für die Kunst.
Unser Sohn ist nie aus ihrem Schoß gekrochen. „Ein reines Produkt deiner
abscheulichen Fantasien, Melusine. Willoughby, dass ich nicht lache.“ Er öffnete
seinen Kragen und band die Krawatte ab. „Komm raus.“ Sie verkroch sich tiefer
unter dem schmalen Bett. Er trat nach ihr. Ihre Rippen krachten. Sie weinte
still. Dass es doch immer so kommen musste. „Ich wäre dir gerne eine bessere
Frau gewesen.“
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