Samstag, 26. April 2014

Links and more: Unkraut-Kulturen, gutes Publikum: Auf Wiedersehen!, Weltreise in erster Person, mehr Wachstum für Care-Arbeit u.v.m.

Das Bloggen (aber nicht das Schreiben anderer "Sachen": z.B. Porträts junger Künstler, Mordgeschichten ) fällt mir derzeit eher zur Last. Vielleicht gar nicht so schlecht, denn desto mehr lese ich anderswo.

Hier ein paar Links auf spannende Texte, die ich in dieser Woche gelesen habe:

Anne Roth schreibt über (Un-)Kultur im Netz: 
"Dass wir damit rechnen müssen, im Hass der Couchpotatoes zu ertrinken, wenn wir wagen, missliebige Meinungen zu äußern, führt die Idee der Meinungsfreiheit allerdings völlig ad absurdum. Die Akzeptanz, dass die Kommunikationskultur im Netz „eben so ist“, hat Ähnlichkeiten mit der sozialen Kontrolle in Dörfern: alles wird gesehen, alles wird kommentiert. Für die Freiräume von Subkulturen ist kein Platz. Die sind aber nötig, damit neue Ideen entstehen und ausprobiert werden können. Es scheint zum Volkssport geworden zu sein, verbal auf Feministinnen und andere Minderheitenpositionen einzudreschen. Einfach schweigend zuzuschauen ist keine Option, wenn das Internet nicht zum Stammtisch werden soll."

Jos Diegel, mit dem ich eine Sonderausgabe von PUNK PYGMALION vorbereite, die zu seiner Ausstellung in der Galerie Söffing ab dem 6. Mai 2014 herauskommen wird, schreibt auf FAUST KULTUR über käufliche Künstler_innen und gekauftes Publikum ein Manifest, das eigentlich keines ist: 
"Gut, wir werden uns in einer völlig künstlichen Art ein Modell vom Mann, von der Frau, von Beziehungen, von Publikum errichten. Glotzt nicht so romantisch. Das Kunstwerk ist das einzige, das so sitzt, dass es alle Gesichter im Publikum sehen kann. Das ist die Geschichte von der Frage nach dem Publikum. Jetzt ist aber Zeit von der Idee eines Publikums Abschied zu nehmen. Sag auf Wiedersehen, Publikum. Du verschwindest noch nicht, nur weil ich mir die Augen zuhalte."



Alban Nikolai Herbst berichtet in DieDschungel über seine "Weltreise" von Australien um Kap Horn zurück nach Europa auf einem Luxusliner. Beinahe jeden Tag spannend zu lesen: "Eine sehr alte Frau, Raucherin auch sie, hager, wissend, hat sich der Gruppe angeschlossen, wird von ihr, die Gehbehinderte, aufmerksam und still umsorgt; sie erzählt Geschichten. Der Flugängstler ist quasi jeden Abend betrunken, aber auf eine Weise, die sein persönliches Unglück zu einem großen Spaß macht, über den er flucht: Ich muß etwas erleben, ich muß etwas erleben! Ein kräftiger, sehr durchtrainierter Mann von um die dreißig, vielleicht fünfunddreißig; bevor er zu trinken beginnt, trainiert er hart im Fitneßraum, mächtige Schultern, Oberarme wie Reifen von Trucks, der Rücken eines Profiboxers, kein Gramm Fett, die Seele aber Teddy. Ungeheuer freundlich, offen, vorbehaltlos. Gestern vesuchte er, mich von meinem Henry James wegzuziehen, damit ich mit ihnen, ihm und paar anderen, spielte. Das sind die Momente, in denen ich meine Fremdheit wieder spüre, mich ihrer aber schäme, weil ich vorbehaltlos nie sein kann, oder nur in ganz seltenen Fällen. Daß man ein Dichter ist und dieses immer Distanz bedeutet, vermag ich allein in der Musik zu überspringen, und im Sex."

Dorothee Markert-Knüfer schreibt auf beziehungsweise weiterdenken über ihre Erfahrungen mit Care-Arbeit im ausgehenden Patriarchat: 
"Während ich solche Erfahrungen mache, lese ich fast täglich in der Zeitung, was staatlicherseits alles unternommen oder versprochen wird, um mehr Frauen zu mehr Erwerbsarbeit zu bringen, möglichst alle in Vollzeit, damit sie der Wirtschaft zu mehr Wachstum und dem Staat zum Füllen der Sozialkassen verhelfen. Ich sehe, wie in dieser Richtung Druck ausgeübt wird, indem Frauen vor der Altersarmut gewarnt werden, die ihnen aufgrund der neuen Unterhaltsgesetze ja auch tatsächlich droht, wenn sie nicht bereit sind, durch Erweiterung ihrer Erwerbs-Arbeitszeiten die schon beginnende Care-Krise weiter voranzutreiben, anstatt ihre Entscheidungen am guten Leben für sich und ihre Familien auszurichten. Daher bin ich sehr froh über die Initiative „Care-Revolution“, die hoffentlich eine breite Gegenbewegung auslösen wird. Dies wird aber nur gelingen, wenn erwerbstätige und in Vollzeit care-arbeitende Frauen sich in dieser Frage nicht mehr gegeneinander aufhetzen lassen. Voraussetzung dafür wäre aber, dass erwerbstätige Frauen damit aufhören, die von ihnen verrichtete Care-Arbeit – so wie ich – zum Verschwinden zu bringen, indem sie sie „irgendwie“, recht und schlecht mal schnell nebenher erledigen, obwohl ihnen das selbst gar nicht gut tut."

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Alles, was ich lese und sehe, verwebt sich zu einem sehr heterogenen, bunten, mal fröhlich-frechen, mal zerknistert-beschämten, mal still-traurigen Teppich aus Wort-Fäden, Satz-Gewerben, Blick-Winkeln und Augen-Aufschlägen, die weiterarbeiten (Soon to come: Here!): die Sucht nach den Cotswolds-Krimiserien-Schmonzetten (26, am Stück runtergelesen), Georg Büchner (die Briefe, momentan nur die Briefe), Barbara Beuys "neue Frauen" des 19. Jahrhunderts, das Ende der Welt und die beste Detektivin eben dieser (Sara Gran - die Zukunft des Kriminalromans! Davon später mehr.), Colm Toibins "Marias Testament" (die Mutter als Ketzerin wider die Passion des Sohnes?), Susanne Englmayers "Augenblicke eines Blinden" (Später! Auch davon mehr!) und Donna Tartts "Goldfinch" (noch nicht sicher, ob mich das fesseln kann). Manche Leute lesen ja so im Studiermodus.: Ein Buch pro Monat oder Halbjahr oder so. Aber gründlich! Analysieren (d.h. zerlegen) die Sätze und Absätze und Zusammenhänge etc. ppp. Nicht mein Ding. Ich verschlinge und verdaue. Verarbeiten heißt für mich: einverleiben. Und anders interessiert mich´s nicht. Was sich dem versperrt, ist ausgeschieden. (Kalauernde Wortspiele - auf die wollte ich doch eigentlich verzichten...)

Kürzlich gesehen: Eine sehr gelungene Ausstellung zu Leben und Werk von Fritz Bauer im Jüdischen Museum in Frankfurt. BenHuRums (aka Thomas Hartmanns) undüstere Vögel (jetzt dichter zusammengeschoben unter der Decke), eigenartige Wäschehängung auf Balkonen....und und und. Ich war auch in "Lego. Der Film". Und nicht enttäuscht. 

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Ich mag: Das Unvermittelte, die Mittelbarkeit und Differenzen. Wenn nichts zusammenpasst: Dann passt´s mir. Außer bei den Farben: Bei den Farben geht manches gar nicht. Zusammen. Und den Proportionen. Selbstverständlich. Aber auch da kommt es zu Täuschungen. Und Veränderungen. Eigen-Art-Ig.

Genug. Wenn Sie sich da durchklicken, ist Ihr Wochenende rum :-). 

Schönen Tag noch!



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