Nicolas Poussin, ca. 1634-36 |
Ein Beitrag von Morel
Action is, after all, exciting rather than interesting.
Anthony Powell liebt die eingefrorenen Bilder, die
stillgestellte Bewegung. Daher ist der Tod bei ihm kein Abschluss, sondern nur
die Unterbrechung eines Tanzes. Blood on the dancefloor. Danach geht es immer
weiter, allerdings in veränderter Konstellation.
Da sich der dritte Abschnitt seines Romanzyklus mit den
Romanen The Valley of Bones, The Soldiers Art und The Military
Philosophers dem Krieg widmet, sind die Gelegenheiten das Schlaglicht des
Todes auf die Lebenden zu richten zahlreich. Einige meiner Lieblingsfiguren
verlassen in diesen drei Bänden die Bühne so plötzlich wie unerwartet. Zyklisch
ist bei Powell nicht das Leben, sondern nur seine Formen. An einer Stelle heißt
es, recht frei übersetzt: "Wie in der Reise nach Jerusalem, verstummt das
Piano plötzlich, und jemand ist ohne Stuhl, für alle Zeit eingefroren in seiner
Haltung in jenem einzigartigen Moment."
Mit den Verlusten nimmt die mitunter von Gleichgültigkeit
nur schwer zu unterscheidende Melancholie des Erzählers zu. Gleichzeitig wird
er aufmerksamer für die Absurditäten des Leben, einige Szenen seiner
Kriegs-Trilogie zählen zu den komischen Höhepunkten der britischen Literatur über
den Zweiten Weltkrieg. Der Erzähler, nach eigenem Empfinden als Künstler ohne
ernstzunehmenden Beruf, beobachtet das Ungenügen an den Rollen, die das Leben
anbietet, auch an seinen Leidensgenossen. Die Tagträume von effizienter
Kontrolle der Organisation stoßen sich an den Unzulänglichkeiten der Bürokratie.
Das Heldentum der Vorfahren, das in den ersten Seiten von The Valley of
Bones noch in der historischen Erinnerung anklingt, wird in der kleinen Münze
von Budgetrestriktionen und Kriegssimulationen in der nordirischen Provinz
ausgezahlt.
Während die Unterschichten die Phantasien des Generalstabs
unter Lebensgefahr ausagieren, bleiben den Oberschichten nur absurde Aktionen,
um gegen die eigene Überflüssigkeit zu protestieren. Stringham, vom
Alkoholismus kuriert, aber
gesundheitlich angeschlagen, versucht sich als Kellner im Offizierskasino,
wird aber in seiner dandyhaften Überheblichkeit als der Rolle unangemessen
durchschaut und in die Wäscherei versetzt. Nach einem Vorfall mit einem
betrunkenen Offizier ist es Widmerpool, der seine Versetzung nach Singapur
durchsetzt, wo er vermutlich ums Leben kommt. Widmerpool, der ewige Karrierist,
verkörpert sicher das Böse - sein Kennzeichen in der Welt Powells ist die übermäßige
Anpassungsfähigkeit. Was Widmerpool auszeichnet ist die fehlende Substanz (auf
interessante Weise verbindet ihn das mit dem Erzähler selbst, der kaum mehr ist als ein Schwamm, der seine Zeit, das 20. Jahrhundert
aufsaugt). Er kann jede Rolle ausfüllen
mit dem einzigen Ziel voranzukommen - wie der leicht übergewichtige Jogger zu
Beginn des Zyklus. Die anderen Figuren dagegen versagen an immer genau daran,
im entscheidenden Moment aus der Rolle zu fallen. Stringham ist einfach zu
geistreich und arrogant für einen Kellner. Wie Widmerpool die Fäden der Intrige
beim Verschwinden Stringhams zieht, so auch beim Tod des zweiten der drei
Freunde aus dem ersten Band, Peter Templer, der wie der Erzähler in The
Military Philosophers zu den Bürokraten der britischen Kriegsdiplomatie zählt.
Bei ihm, der als Frauenheld eingeführt wurde, ist es die Rolle des männlichen
Verführers, die er nicht mehr ausfüllen kann. Während er seine Frau in einer
psychiatrischen Klinik allein lässt, wird er zum Opfer von Pamela Flitton,
einer Nichte Stringhams, die Powell wenig subtil als "femme fatale"
im Stil von 40er Jahre-Filmen angelegt hat. Von der Geheimaktion im Balkan, bei
der Templer ums Leben kommt, erfahren wir nur aus Büroklatsch und Widmerpools
Rechtfertigung, der das abenteuerliche Vorhaben durch ein kritisches Memorandum
beendete, das den Tod von Templer auslöste (so zumindest Pamela Widmerpool, wie
sie nach der Heirat mit dem Karrieristen, heißt, in einer ihrer stürmischen
Szenen). Das ist der Realismus Powell, an die Stelle der Action tritt das
Memorandum, eine nur scheinbar interesselose Abschätzung des Lebens. Wie in
desillusionierten Spionagethrillern siegt die Bürokratie am Ende immer über das
Individuum. Zu Beginn sorgen einige aus der Sowjetunion ausgewiesene polnische
Armeeeinheiten für Diskussionen. Eine Differenz von einigen Tausend Offizieren
sorgt für kurze Verwunderung, bevor es dann wieder um Budgetfragen geht.
Widmerpool kommt später auf das Massaker in Katyn zu sprechen und warum es
besser sei, es nicht zum Thema zu machen. Powell übergeht den Hobel, er
schweigt aber nicht über die Späne.
Der Erzähler ersetzt schließlich Action durch Reflexion und
Erinnerung: Als er auf einen kurzen Abstecher ins gerade befreite Europa ein für
die Besatzungstruppen konfisziertes Hotel verlässt, fällt ihm erst im
Nachhinein auf, das dies das Hotel in Prousts Balbec sein muss, wie der französische
Romancier es in Auf der Suche nach der verlorenen Zeit schildert. Auch
in Powells Romanzyklus treten mit dem Alter an die Stelle lebender Weggefährten
Literatur und Erinnerung.
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