Mit Antje Schrupp führte ich im Mai ein langes Gespräch über Frausein, die Bedeutung der biologischen Geschlechterdifferenz, Schwangerwerdenkönnen und Körperpolitik, das nun in vier Teilen vollständig auf der Internetplatfform beziehungsweise - weiterdenken erschienen ist.
Teil 1: Wer ist eine Frau?
Antje und ich vertreten unterschiedliche Standpunkte, vor allem mit Blick auf die Bedeutung der biologischen-genetischen Voraussetzungen für den Begriff "Frau", aber auch wenn es darum geht, den gesellschaftlichen Ist-Zustand zu beschreiben und daraus Schlüsse für eine politische Positionierung zu ziehen. Es war ein spannendes und herausforderndes Gespräch, das mir geholfen hat, meine eigene Position - wenn auch, selbstverständlich, nicht endgültig - zu klären. Mehr noch als vorher ist mir deutlich geworden, wie eng für mich "Frausein" mit meiner Körperlichkeit, mit dem Bewusstsein schwanger werden zu können, der Monatsblutung, den Hormonschwankungen, der Erfahrung der "Wechseljahre" (hierzu gab es in letzter Zeit einige interessante Beiträge unter dem "Label" Menopausen-Bloggen, auf die ich unten verlinke) und - ja! - auch mit dem Schwangersein und Muttersein verbunden sind. Ich frage mich, wie sehr es schon Ausgrenzung ist, wenn ich Frausein auch und vor allem auf diese biologischen Voraussetzungen und Möglichkeiten beziehe - und andersherum, wie sehr jede andere Definition von "Frausein" (insbesondere die subjektive Selbstdefinition) nicht gerade gefährdet, was sie politisch bekämpft: die erneute und vielleicht noch klischeehaftere Zuschreibung des "Frauseins" an Gefühlslagen und Geschmacksfragen, an Selbstdarstellungscodes und kulturelle Prägungen.
Wie immer, denke ich, geht eine jede auch in der Theoriebildung mindestens unbewusst "von sich selbst aus", kann die Bildung "blinder Flecken" aus dieser subjektiven Beschränktheit und Selbstbeschränkung gar nicht vermeiden. Ich lebe ein konservatives, d.h. hier dem Bewahren verpflichtetes Leben mit einem hohen Übereinstimmungsfaktor gegenüber traditionellen Vorstellungen und Prägungen der Geschlechterdifferenz: als heterosexuelle Frau in fester Beziehung mit Kindern. Die traditionelle Familie ist mir weniger Gefängnis als Zufluchtsort. Als Tochter eines stets "anwesenden Vaters" erlebe ich genetische Elternschaft nicht als arbiträr, sondern identitätsstiftend. Es fällt mir daher schwer, in neuen Familienkonstellationen, die diese Beziehung - die genetische Verwandtschaft - als beliebig begreifen (Leihmutterschaft, Samenspende, Ausschließlichkeit sozialer Elternschaft), das befreiende Moment stärker wahrzunehmen als die - aus meiner Perspektive - Gefährdung der Identität.
Letztlich geht es bei all diesen Fragen um Freiheit. Je älter ich werde, desto gefährlicher erscheint es mir, Freiheit vor allem als Ausweitung der Wahlmöglichkeiten zu begreifen. Freiheit, so glaube ich, ergibt sich erst aus der Einsicht in unsere Beschränktheit und Beschränkungen. Sie kann sich nur da entfalten, wo wir die Verantwortung für die Folgen unserer Wahl übernehmen können. Dieser Spielraum scheint mir weniger groß, als "postmoderne" Theoreme (oder deren vereinfachte Rezeption) oder Queer-Theorien ihn sich auslegen. Wo er überdehnt wird, so glaube ich, wird weniger Freiheit erreicht als vernichtet. Denn wir begeben uns in neue Abhängigkeiten und Beziehungskonstrukte, für deren Verbindlichkeit wir keine Traditionen haben und keine Verantwortlichkeiten übernehmen wollen oder können. Das ist für diejenigen am gefährlichsten, die noch keine Stimme haben: die Ungeborenen. In unseren Theorie- und Rechtskonstrukten "schulden" wir ihnen, den "Nochnichtexistierenden", nichts. Genau darin sehe ich schon lange die Leerstelle, den "blinden Fleck" der meisten Theorien "über den Menschen": dass sie die Gebürtlichkeit unseres Lebens ausblenden. Keine/r von uns lebte, wenn nicht eine Frau auf sich genommen hätte, dieses noch nicht eigenständige Leben "auszutragen". Neue Technologieangebote machen sich diese (gedankliche, eben nicht faktische) Leerstelle zunutze, indem sie das menschliche Leben/die menschlichen Körper in eine Ware zu verwandeln suchen. Alles ist oder scheint modifizierbar (und käuflich) geworden. Noch aber gibt es die "elektrische Gebärmutter" nicht. Noch lebt kein Mensch auf dieser Welt, der nicht im Körper einer biologischen Frau, in einer Gebärmutter, seine Geburt erwartete.
Kämpfe ich auf verlorenem Posten, wenn ich hoffe, dass es so bleibt? Meine Phantasie bewegt das Neue in Kopf und Herz. Mit Sternchen und Schnuppe habe ich vor Jahr und Tag ein "Geschwister"-Paar mir erdacht, für das nicht mehr gilt: eine Mutter hat uns geboren. Was das mit ihnen macht? Versuche ich schreibend weiter zu ergründen. (Was Zeit braucht und Mut, weil ich eine Zukunft erschauen und erfühlen will, gegen die ich mich sträube).
Es ist wichtig, dass es über solche existentiellen Fragen strittige Gespräche gibt, die nicht polemisch werden, sondern "beziehungsweise" miteinander um Antworten ringen (und damit selbstverständlich neue Fragen produzieren). Dafür danke ich Antje Schrupp! Und ich denke, das Gespräch geht, auf verschiedenen Ebenen und bei unterschiedlichen Anlässen, weiter. Meine Haltung bleibt vorläufig, tastend, kritisch gegenüber Gewissheiten und doch achtsam gegenüber den eigenen Zuwendungs- und Abwehrgefühlen. Ich versuche nicht, sie zu überwinden, sondern sie zu verstehen und dann - vielleicht - zu verändern.
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