Montag, 24. Oktober 2016

MEINE KONSOLE GEWINNT IMMER (denn: "Gott weiß es auch nicht.") (Ein Traumbild)

"Du wärst ein Hacker, mit einem IQ von 140." "Und du wärst eine Milliarden-Erbin." "Von einem Chemie-Konzern." Er lachte. "Du wärest aber schon längst ausgestiegen und hättest mit den Pflanzenvernichtungsmitteln nichts mehr zu tun." "Nur noch mit den chemischen Massenvernichtungswaffen, oder wie?" Ich stöhnte. "Wie immer hast du den besseren Part." "Ach nee, ich wäre doch vollkommen abhängig von deinem Geld, um..."

Es kostete uns eine Milliarde. Locker los gemacht. Eine einsame Farm in West Virginia (Mountain Mamma) ("Mit einem unterirdischen, weitverzweigten Bunkersystem". "Hoch- effektive Server." "Spiegelung auf Hawai." "Und Island") als Hauptquartier. Neben dran eine weiße Holzkirche. Wie man sie kennt. Aus Filmen über kleine Farmen, bewaffnete Familienoberhäupter und hochmoralische Lehrerinnen mit Dutt. Ein Jahr dauerte die Vorbereitung. Wie im Film verwenden wir hierfür Zeitraffer. So genau müssen wir das im Traum nicht wissen, wie das im Einzelnen funktioniert. In grauen Büros arbeiten unentwegt schlanke, androgyne, junge Männer und Frauen in Slim Jeans und T-Shirts mit sonderbaren Aufdrucken vor hochauflösenden Bildschirmen. Webseiten, Konten, Server werden identifiziert und infiltriert. Ha, wie das rauscht.

Wir sind ok. Die Ok-Guys. Demokratisch, Praktisch. Gut. Wir variieren vielfältige Identitäten, probieren sexuelle Praktiken und Orientierungen aus und achten auf Diversität. In unserem Bunker geht es bunt und nett zu, deshalb tragen auch alle gedeckte Farben, ohne Unterschied. Religion, ethnische Herkunft und Einkommensklasse der Eltern dürfen bei uns nicht die Entwicklungschancen beeinflussen. Alle sind Mittelschicht, aber hochintelligent, stellt sich hinterher raus. Wir müssen halt doch Anforderungen ans Profil stellen: Programmierkenntnisse, postmoderne und dekonstruktivistische Analysekompetenz, Teamfähigkeit in multikulturellen Arrangements, Hass-Resistenz (vulgo: Selbstbeherrschung). Na dann. Das kann nicht jede/r. (Hamas-Anhänger müssen leider draußen bleiben. Vor der Tür. Evangelikale auch. Und Profi-"Betroffene". Weiße Männer ohne Abitur.) Ein Tor drum, dem´s seltsam vorkommt, wie wir unter uns bleiben. (Du fühlst dich jetzt nicht mitgemeint in diesem "Wir", ich weiß. Und zu Recht. Denn du bist nicht freundlich genug, magst kein Fladenbrot zum Käse und schüttest übermäßig viel Rotwein in dich hinein, wenn Krisen zu meistern sind. Also dauernd. Und hörst zu laut Heavy Metal.) (Ich höre dich lachen. Nicht lustig.)

Der Tag kommt. X-Day. Der Tag, der alles ändert. Wie wir hoffen. Woran wir glauben. (Jeder Glaube ist ein Affront gegen die Realität. Aber die Realität ist ja auch wirklich das Letzte. "In your face.") Wir zwei stehen am Shenandoah River. Ich will Romantik. Jetzt. Bevor es los geht. Sehen wir uns ganz tief in die Augen. Home, sweet home. Wo immer du bist. Es wird noch alles gut. (Noch besser. Die Wirklichkeit kann ja nichts dafür.) Ha, jetzt. Ein Gewaltakt. Denn alle, alle, alle wollen Frieden. Auch der Opa mit dem Urinbehälter am Rollator, der sich von keinem "Neger" den Arsch wischen  lassen will, aber seinem Enkel immerzu zuflüstert: "Nie wieder Krieg. Ich lag vor Stalingrad." Madonna. Denn: Wir wollen Weltfrieden, ewige Gesundheit für unsere Liebsten und lebenslang freie Burger im nächstgelegenen Burger Joint. Außerdem: einen Audi A 8. Und noch mehr Weltfrieden, Toleranz, Liebe, Gewerbefreiheit. Spiel und Spaß. Eine Tarnkappe. Und Dich. Noch mehr Liebe. Sex für alle. Rechte. Ohne Pflichten. Drück den Knopf. JETZT.

Mein Traum: Überall, auf allen Webseiten, wo wahre Religion, reine Seele, guter Wille, feine Gebote und Verbote gepredigt worden sind (+Twitter-Accounts frommer Segensprüchemacher aller drei monotheistischen Weltreligionen) erscheint am bewussten Tage um 8:30 mitteleuropäischer Zeit eine Leuchtschrift (Alles andere ist restlos gelöscht. WIR sind nicht tolerant, erst recht nicht akzeptierend. WIR sind vernichtend. Und das ist gut so.):

GOTT WEISS ES AUCH NICHT.

Auch auf Arabisch. Portugiesisch. Aserbaidschanisch. Georgisch. Spanisch. Katalanisch. Türkisch. etc.ppp. WIR sind Weltbürger. Denn: Wohin ich in Wahrheit gehöre. Läuft durch die Schrift. Für immer und ewig. Sonst nichts. 


"Du bist so verdammt kindisch." "Und dann der Hass." "Stell dir mal den Hass vor."  "Mein Traum ist auch eine Wirklichkeit." "Deine Träume spenden dir Trost." "Auf allen Wegen. Begegnen mir Angehörige. Hihi. " Younger than the Mountains. "Du solltest dich was schämen. So albern ist das." "Eine Milliarde Dollar." "Wär dir das wert, solange du die nicht hast." Take me home to the place where I belong. "Wir gehören nirgendwo hin." Wir? "Ich bin überall zuhause, wo du bist." (Dein Lachen klingt jetzt zynisch. Menno.)

4 Kommentare:

  1. Das nenne ich mal eine Gegenrede! (Auch mich störte das WIR, das dann doch wieder einige (von UNS) ausschloss.) ((Und wahrscheinlich steckt noch viel mehr in diesem Text, aber jetzt, auf die Schnelle und für mich, lese ich ihn als eine Gegen/Ergänzungsrede)) (((Ich weiß es auch nicht)))

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Es ist ... ein Traumbild. Und wie in alle Träume geht ein, was tagsüber Verstand und Herz berührt hat. In Verarbeitung. Hier bewusst-unbewusst. Und ist, wie Träume sein sollen (meine), Wunschbild, auch.

      Du hast aber richtig verstanden: Während "meine Timeline" sich im Entzücken über Emckes Rede überschlägt, hat sich mich zunächst eher gelangweilt, aber zuletzt auch - in ihrer Selbstgerechtigkeit - erzürnt. Sie denkt nirgends hin, wo es weh tun könnte (und müsste, wie ich finde). Polemisch könnte eine sagen: Habermas auf den Hund (oder die Katze) gekommen - lasst uns miteinander mühsame Gespräche führen! Immerhin ist dem (nämlich Habermas) aber klar: Das ist "kontrafaktisch" zu denken. Nicht nur, aber auch, weil einige, gar nicht mal wenige, sich der Mühe des argumentativen Sprechens nicht unterziehen wollen (darunter all jene, die mit festen Gewissheiten hausieren gehen wie z.B. ein Großteil der "Gott ist gut"-Fraktionen aller Konfessionen). Und weil dieser Wille als Teil ihrer Würde zu respektieren ist. Da fängt´s nämlich erst an: Wenn "wir" uns klar machen, welch unsympathischen Zeitgenosse_innen "wir" die Menschenwürde zu garantieren haben. Emcke nennt "uns" nur die "unserem" Milieu genehmen (nämlich von diesem als "Ausgegrenzte" anerkannte: Muslime, Homosexuelle, Schwarze...) Nicht dabei: alte und junge Nazis, homophobe Sozialhilfeempfänger, rassistische Familienmütter und - väter. Hasserfüllt sind ja immer nur die anderen, meinen "wir". Dem "Hass" entgegen steht eben nicht die (Menschen-)Liebe, sondern die Fähigkeit zur Selbstbeherrschung und -beschränkung. Die Dialektik des Individualismus - dass es ihn nur geben kann, wenn jede/r darauf verzichtet, sich den anderen mit seinem Glauben, seinen Weltanschauungen, seinen Emotionen aufzudrängen. Das Unbehagen an der Kultur - und die Feier der Einsamkeit des modernen Lebens. Das verteidigt sie nicht, Carolin Emcke, sondern schafft sich ein "Wir", dessen Ausgrenzungsmechanismen (denk nur mal an die völlige Ausblendung sozialer Verwerfungen) sie nicht einmal selbstreflexiv streift. Ja, ich fand diese Rede intellektuell unredlich. Und bin ein wenig erschrocken über den enthusiastischen Beifall, den sie für die Formulierung von Selbstverständlichkeiten erhalten hat.

      Löschen
    2. Genau das Ausgrenzende dieses „Wir“ war es, das mich gestört hat. Sie steht damit ja nicht alleine, das begegnet uns („uns“?) überall und täglich, immer sind es „Wir“ und „die anderen“, wobei mit „wir“ in der Regel die Guten, die, die es besser wissen gemeint sind, oder auch die Opfer und mit den anderen die Bösen, die Dummen und die Täter.
      Es gab neben dem Artikel von Welt online inzwischen auch einen auf Zeit online, der genau das nochmal genauer beleuchtet und ganz gut ausdrückt, was auch ich bei Eckes Rede empfand. Vielleicht hast du ihn ja auch gelesen: http://www.zeit.de/2016/44/carolin-emcke-friedenspreis-des-deutschen-buchhandels

      Leben ist schon auch ein Kraftakt und nie hat man (habe ich) genug Zeit, einfach dazusitzen, stundenlang, und meine Gedanke frei laufen zu lassen. Dabei ist das so wichtig. (Ich weiß jetzt nicht genau, was das eine mit dem anderen zu tun hat ... Hm, vielleicht komme ich drauf, weil ich gerade (immer noch!) so wenig Zeit habe, mich auf Diskussionen und Gespräche einzulassen. Und auf meine eigenen Gedanken. Auf das, was Raum braucht, um sich zu zeigen ... Du weißt schon, glaube ich.)

      Löschen
    3. Ja. Das verstehe ich gut. Zeit fehlt. Und gelegentlich auch Lust. Weil alles (oder vieles) auch immer gleich zu einer Frage der Loyalität wird (oder gemacht wird). Womit wir wieder bei "wir" und "die anderen" wären.

      Löschen