Dienstag, 28. April 2020

Corona-Post (Tag 51): BORIS P. (u.a.) hinter die Ohren geschrieben oder auf die Ohren gegeben

Juli Zeh ist auch dabei. Julian Nida-Rümelin und der unsägliche Antisemit Jakob Augstein, Boris Palmer natürlich und ein Andreas Rosenfelder, der das Virus als Metapher verstehen will und nach eigener Aussage jetzt in einer traumatisierten Gesellschaft lebt , wenig überraschend auch ein Herr Reichelt von der BLÖD-Zeitung und Kind Fürchterlich (enfant terrible) Frank Castorf.  Es ist doch so, sagen sie, der Preis sei zu hoch, den WIR jetzt zahlen sollen: Meistens daheim bleiben, kein Feierabendbierchen und gemeinschaftliches Lästern über Spießer, kein Fußball, keine Konzerte, konsumpromenieren nur mit Maske und dann auch noch dauernd Hände waschen. Andere beklagen das Leid der armen Kinderchen, seit 6 Wochen eingesperrt, meint Ministerpräsident Laschet (wovon ich gar nix gemerkt habe, weil hier, wo ich lebe, die Kinderchen sehr wohl die ganzen 6 Wochen über auf die Straße und in die Parks und in den Wald durften; aber vielleicht verwechselt er das mit Italien oder Spanien; der Mann wirkt ja insgesamt ziemlich verwirrt.) 

Es stehe die FREIHEIT auf dem Spiel, so stellen sie fest. Ihr Freiheitsbegriff ist dabei ein bisschen dürftig, denn er kommt offensichtlich ohne VERANTWORTUNG aus. Dass die Grenzen der Freiheit immer da gesetzt sind, wo die Wahrnehmung der Freiheitsrechte die Rechte anderer beeinträchtigt, haben sie wohl schon verstanden? Ich nehme mal an, auch Frau Zeh hält an der roten Ampel (vielleicht sogar, wenn sie den Standort der Ampel persönlich für unnötig hält). Aber JETZT geht ihr das mit den Vorschriften zu weit. Das erinnert sie dann doch zu sehr an eine Gesundheitsdiktatur, wie sie sich eine m schlecht geschriebenen Roman CORPUS DELICTI ausgedacht hat (Der Plot ist selten dämlich: Geht es doch um eine datengeile BigBrother-Diktatur, die jederzeit deine Temperatur kennt, aber unfähig ist, in ihren digitalen Archiven eine Transplantation abzuspeichern).  

Denn diesmal geht es um Einschränkungen, die nur einem Zweck dienen: dem Schutz des Lebens von Leuten, die vielleicht eh bald gestorben wären. Alte nämlich und Vorerkrankte.  Das Leben insgesamt wird ja maßlos überschätzt. Noch mehr aber das von Ungesunden. Diese „Störfaktoren“ für ein freies Leben aller anderen sollen gefälligst sich mal selber schützen, indem sie sich aus dem (öffentlichen) Leben fernhalten. Das kann man von dieser „Risikogruppe“ echt verlangen. Alte Leute mit geringer Lebenserwartung und ohne großen gesamtwirtschaftlichen Nutzen können doch nicht im Ernst erwarten, dass wegen ein paar Monaten oder Jahren oder einem einzigen Jahrzehnt, das sie eventuell noch hätten, alle anderen ihre Bewegungsfreiheit einschränken. Ist doch so, oder? In der WELT (Springer-Konzern wie die BLÖD-Zeitung) kann man lesen, dass „wir“ im Grunde ja auch schon Triage machen, bloß halt zugunsten der Alten. Denn es sterben – wahrscheinlich ?- irgendwo in den verschlossenen Häusern (Wo stehen die bloß? Bei mir gehen überall dauernd die Türen auf und zu.) mehr Frauen und Kinder an gewalttätigen Männern, die ohne Fußball auskommen müssen, als je zuvor. Es ist erstaunlich, wer in dieser Krise plötzlich sein weiches Herz für Frauen und Kinder entdeckt, die ihm/ihr sonst immer ziemlich am Allerwertesten vorbeigegangen sind.* Plötzlich muss deren imaginiertes Leid im Halb-Lockdown herhalten, um Herrn Professors und Frau Richterins Unbehagen an der ungewohnten Unbequemlichkeit des Lebens zu begründen. 

Beifall erhält die Fraktion „Diese Freiheit nehm ich mir“ von verzweifelten Abiturientinnen auf TikTok, die vor ihrem Abiball-Kleid (noch original im Schrank verpackt) rumheulen („Seit 13 Jahren freu´  ich  mich drauf.“), von trotzigen alten Männern, die sich für „hart im Nehmen“ halten, aber vor allem gerne austeilen, von libertär-kindischen Provozierern, die immer schon  keinen Bock hatten, sich „was sagen zu lassen“, vor allem nicht von Fachleuten zum Thema  (Stichwort: Diktatur der Virologen). Jetzt muss doch mal Schluss sein mit der Pandemie (Die Nachrichten sind ja auch so langweilig geworden!). Weiter muss es gehen. Raus müssen wir. Damit der Ball wieder rollt. Der Rubel auch. 

Ja, ich habe auch Angst, dass wir in eine Rezession geraten. Vielleicht sogar in eine Depression. Ich habe auch Angst, dass die Pandemie weltweit zu Hunger und einer Vervielfachung der Armut führen wird. Dass die Arbeitslosigkeit wieder zur Massenarbeitslosigkeit wird. Und dass der Nationalismus, der sich schon vor der Pandemie allseits breitmachte, dazu führen wird, dass die Folgen dieser Naturkatastrophe noch schlimmer werden, als sie es ohnehin sein werden. Und ich bin auch nicht so hart, dass ich keine Angst habe um mich und die meinen vor einer Krankheit, von der man wenig weiß und die gravierende Langzeitschäden haben kann. 

Gerade deshalb, weil ich Angst vor all dem habe, fehlt mir die Empathie für das Gejammer jener Vorgenannten. Auch ich wünsche mir, dass wir die Infektionszahlen so reduzieren können, dass Cafés, Restaurants und Hotels bald wieder aufmachen können. Es wird trotzdem schwer werden in vielen Branchen und für viele Unternehmen. Da wird unsere Solidarität wieder gefragt sein. Auf die Zehs, Nida-Rümelins, Castorfs, Augsteins und Palmers sollten wir auch dann eher nicht vertrauen. Denen wird sicher einfallen, warum Verzicht gerade von ihnen nicht verlangt werden kann.

Wofür ich sie aber aufrichtig verabscheue, ist ihre rücksichtlose Verachtung gegenüber einer Generation, für die der Wohlstand und die Freiheitsrechte, um deren Erhalt es ihnen vorgeblich geht, keineswegs eine Selbstverständlichkeit waren. Jene, die „sowieso“ bald gestorben wären, das sind Menschen wie meine Eltern, Kriegskinder mit ECHTEN Traumata (statt diesem: „Das arme Kind, wie soll ich ihm erklären, dass es nicht auf den schönen Spielplatz darf?), die gehungert haben und später viele Jahre gedarbt, deren Konsumverzicht nötig war, um den Wohlstand zu ermöglichen, in dem wir Jüngeren aufgewachsen sind, die zentralbeheizten Wohnungen und die Sommerurlaube, die wir für „normal“ und „unser Recht“ halten. Für meine Eltern sind diese letzten Jahre ihres Lebens die besten. So gut wie jetzt ist es ihnen tatsächlich noch nie gegangen, materiell nicht, aber auch nicht, was ihre persönlichen Freiheiten angeht. Jeder Tag, den sie haben, miteinander, mit uns, ist kostbar. Denn wir alle wissen, dass diese Zeit begrenzt ist. Ich kann mit Worten nicht ausdrücken, was ich empfinde, wenn Menschen die begrenzte Lebenszeit alter Menschen als Argument dafür benutzen, dass es auf diese Leben weniger ankäme. Ich könnte, was ich empfinde, nur handgreiflich ausdrücken. Aber das kann ich halt auch nicht.

Drum schreib´ ich es hier!

Ich vergesse und verzeihe Euch das nicht, Eure Worte nicht und Euer Verhalten nicht!

Aber ich bin dankbar dafür, in einer Gesellschaft zu leben, die sich in ihrer Mehrheit (bis jetzt) anders entschieden hat: Der Schutz des Lebens ist uns was wert. Auch des Lebens jener, die - vielleicht - nicht mehr so lange zu leben haben wie andere. 


* Um Missverständnissen vorzubeugen: Es ist mir selbstverständlich nicht gleichgültig, wenn Frauen und Kinder im häuslichen Umfeld nun ungeschützter Gewalt ausgesetzt sind. Die Aufgabe an uns als Gesellschaft lautet dann: Wie kann Schutz für sie organisiert werden? Z.B., indem kurzfristig die Unterbringung in jetzt leerstehenden Hotels organisiert wird. Das Leid dieser Frauen und Kinder wird jedoch nicht durch zu wenig Freiheitsrechte für alle verursacht und verlängert, sondern viel eher dadurch - auch unabhängig von Corona -, dass die Täter zu uneingeschränkt "Freiheiten" für sich in Anspruch nehmen. 

4 Kommentare:

  1. Danke für diesen Text! Der mir aus der Seele spricht und auch aus den Augenbrauenzornesfalten.

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  2. Danke für diesen Rant. Willst du das nicht auch auf bzw stellen?

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  3. Liebe Jutta, hundertprozentige Zustimmung. Ich finde es gut, wie Du in Deinem Text die älteren Menschen wertschätzt und ihre Perspektive einnimmst. Was in der Gesamt-Diskussion aber doch fehlt, ist die Perspektive der Familien bzw. Alleinerziehenden mit Kindern. Es geht nicht darum, ob Kinderchen auf den Spielplatz dürfen, sondern darum was es bedeutet, wenn Eltern in Home-Office arbeiten und gleichzeitig Homeschooling für die Kinder leisten sollen, den Kindern die Spielkameradinnen ersetzen, die gute Stimmung in der Familie aufrecht erhalten usw. Diese Herausforderung, hauptsächlich von Frauen gemeistert, kommt in der öffentlichen Debatte, die überwiegend von älteren männlichen Experten geführt wird, kaum vor. Und natürlich auch nicht bei den von Dir zitierten eloquenten 'Geistesgrößen'.

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  4. "Aber ich bin dankbar dafür, in einer Gesellschaft zu leben, die sich in ihrer Mehrheit (bis jetzt) anders entschieden hat: Der Schutz des Lebens ist uns was wert. Auch des Lebens jener, die - vielleicht - nicht mehr so lange zu leben haben wie andere."
    Ja, liebe Jutta, JA! So denke und empfinde ich auch ...

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