Mittwoch, 24. August 2011

Inspirierende Frauen: Elisabeth Selbert

In „intelligent life“, dem Kulturmagazin des economist, gibt es diesmal ein Special im Innenteil unter dem Titel „inspiring women“. Man sollte meinen, eine geschlechtsspezifische Beilage sei heutzutage überflüssig, es werde ohnehin gleichgewichtig über talentierte Frauen und Männer, herausragende Leistungen weiblicher und männlicher Wissenschaftler oder Erfolge von Sportlerinnen und Sportlern berichtet. Das ist jedoch nicht der Fall. Nach wie vor wird wesentlich häufiger über die Leistungen von Männern und das Styling von Frauen geschrieben. Spricht man Journalisten darauf an, so beklagen sie regelmäßig, es gebe eben nicht genügend Frauen, die man herausstellen könne. Tatsächlich lässt sich zeigen, wie die Werke von Frauen in Vergessenheit gerieten (z.B. Barbara Strozzi), ihr Anteil an einer Forschungsleistung lange Zeit als gering eingestuft wurde (Lise Meitner) oder ihr Werk hinter ihrer Biographie verschwand (Karoline von Günderode). Ich kann hier nur wenige Beispiele nennen; wer sich nur einmal kurz durch fembio  (ein Projekt von Luise F. Pusch klickt) wird ohne Mühe eins nach dem anderen finden. Daher ist es nach wie vor notwendig und inspirierend, sich der Arbeit, des Engagements und der Ausstrahlung besonders von Frauen zu erinnern, um sich Traditionslinien zu erschließen, an die eine als Frau anschließen kann.

Die einflussreichen Frauen unserer Zeit, die Economist befragt hat, nannten unter anderem Mary Wollstonecraft (Dr. Mary Midgley), Carol Kaye (Tina Weymouth) und Lilian Baylis (Jude Kelly). Über jede dieser Frauen lohnt es sich mehr zu erfahren.

Über die beiden Frauen, die mich am meisten inspiriert haben, kann ich nur in indirekter Weise öffentlich schreiben, da sie beide großen Wert auf die Wahrung ihrer Privatsphäre legen. Beide haben mich darin bestärkt, meinen eigenen Weg zu suchen und zu gehen; die eine hat mir das Gefühl gegeben immer bedingungslos geliebt zu sein; die andere hat meine Arbeit wertgeschätzt und mich so gefördert, dass ich auch in Phasen der Überforderung weitermachen konnte. Beide waren anspruchsvoll und haben immer mehr in mir gesehen, als schon da war. Ich verdanke ihnen viel; es gibt keinen Mann, der für meine Arbeit ähnliche Bedeutung hat wie diese beiden.

Andere Frauen, die ich nicht persönlich kannte, deren Schreiben mich aber beeinflusst hat, habe ich hier im Blog schon gewürdigt: Alice Munro , Keri Hulme, Janet Frame und viele andere. Die Reihe "Wir" zeigt Werke bildender Künstlerinnen. 

Eine Politikerin war bisher noch nicht dabei. Das hat Gründe. Auch von Frauen kann das politische Tier Besitz ergreifen. Da geht die Inspiration flöten. Jedes Mal aber kommen mir wieder die Tränen, wenn ich von der Radioansprache höre, in der Elisabeth Selbert die deutschen Frauen auffordert, sich mit Postkarten an den Parlamentarischen Rat zu wenden, um Artikel 3 des Grundgesetzes durchzusetzen. „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Ihr sozialdemokratischer Parteifreund Carlo Schmid sah hierdurch die Stabilität der Gesellschaft gefährdet. Denn in der Familie müsse schließlich „am Ende“ einer das Sagen haben. Konrad Adenauer von der CDU war wenig begeistert, Thomas Dehler (FDP) auch. Neben Elisabeth Selbert waren nur drei weitere Frauen im Parlamentarischen Rat.


"Ich möchte eigentlich diese Zeit noch einmal erleben: Welchen ungeheuren Einfluss diese politische Bewegung der Frauen, die plötzlich wie ein Sturm über den Rat wegging, bedeutet hat - erst dann trat diese große Wende ein, und dann kam ein gewisses Gestammel von allen Seiten - wir waren ja gar nicht dagegen, wir wollten nur nicht das Rechtschaos - wir sehen ein, dass die Frau Ungeheures geleistet hat, wir sehen ein, dass wir das den Frauen unserer Zeit - nach einem Zweiten Weltkrieg schuldig sind." 




Trotz der ungünstigen Umstände, trotz des zum Teil erbitterten Widerstandes vieler Männer, schaffte es Selbert, Artikel 3 mit der Hilfe der Tausenden von Frauen, die ihrem Aufruf folgten, durchzusetzen. Sie wusste, das dies nur ein erster Schritt war. Die Umsetzung des Artikels im Rechtssystem, vor allem in den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches würde Jahrzehnte brauchen. Noch länger, ahnte sie, würde es dauern, bis Gleichberechtigung im Beruf und in der Familie tatsächlich realisiert wäre.

1896- 1986
Bildquelle: Archiv der deutschen Frauenbewegung, Kassel
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat ihr Mitglied Elisabeth Selbert lange Jahre nicht so geehrt, wie sie es verdient hätte. Sie wurde nicht Bundestagsabgeordnete und nicht Verfassungsrichterin. Schon Ende der 50er Jahre zog sie sich aus der Politik zurück und arbeitete fortan als Rechtsanwältin für Familienrecht an der konkreten Umsetzung von Artikel 3 weiter. Alle Frauen in der Bundesrepublik Deutschland haben Grund, sich mit Dankbarkeit an Elisabeth Selbert zu erinnern. 




Ihr Erfolg kann inspirieren: sich nicht abzufinden, zu kämpfen und: den Schulterschluss mit anderen Frauen zu suchen!

2 Kommentare:

  1. Bin dabei. Da können Sie getrost Ihre Hasenknittel drauf verwetten : )

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  2. In Giessen gibt es einen Elisabeth-Selbert-Verein der Träger eines aktiven Frauenkulturzentrums ist und so ihr Andenken aufrecht erhält:
    http://www.frauenkulturzentrum-giessen.de/verein.html

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