Donnerstag, 30. Dezember 2010

Jahresrückblick 2010 (Folge 3): JAHRESTAGE - ohne (m)ICH

Tagebucheinträge sollte es hier nicht geben. ICH ist Melusine. Melusine ist Nicht-Ich. Alles Lüge. Jetzt wird sich breit gemacht. Jede hat den Drang, sich darzustellen. Guck mal: Das bin ich (nicht).

Im Spiegel: http://gleisbauarbeiten.blogspot.com/search/label/Im%20Spiegel
"Wer keine Heimat mehr hat, dem wird wohl gar das Schreiben zum Wohnen."


2. Juni
Es wird (erstmals, scheinbar) persönlich. Weil im Zug unversehens eine Karte mit Komplimenten überreicht wurde. Und eine darüber erschrickt. Aber mehr noch über sich selbst. Seit einem Monat sitzt Bradley Manning in Kuwait in Haft. Er wird verdächtigt, das Videoband an Wikileaks weitergeleitet zu haben, das zeigt, wie US-Soldaten zwei Reuter-Journalisten ermorden: Collateral murder

14. Juni
Die Flirt-Scham löst heftigen Widerspruch aus. Das Thema bleibt. Sex sells. Kannibalischer auch. Was Lust ist, kann nicht gekauft werden. Die Würde des Menschen hängt am Verhängnis. Voller Licht, Lachen, Leben. Um ihren Ruf soll sich MB nicht sorgen. Nur BP. Die Ölpest im Golf von Mexico macht Schlagzeilen.

25. Juni
Landpartie. 4 Frauen hoch im Wagen. Sooderso. Dem Suff erlegen. Vergeben. „Fränkischer Wein ist so wie das Blut der Erde....“ Hicks. Eine Masseuse behauptet, Al Gore habe sie sexuell belästigt. Tipper Gore, die (betrogene?) Ehefrau, war ihrer Zeit Jahre zuvor schon voraus: Zensur als Jugendschutz. Parental advisory. (Explicit lyrics or contents) KKK Bitch.

8. Juli
Der Giermoment wird ausgeglichen. Der schöne Tag am See. Melusine, Armgard und die wissen von nichts. Nur dann kann es gehen. Genieß den Augenblick, trotzdem. Ein Loblied auf die Freundschaft.

12. Juli
Endlich wird der Fluchtpunkt dieser Bloggerei gefunden: 1989.  Ohne Fluchtpunkt keine Perspektive. Ohne Perspektive keine Illusionen. Ohne Illusionen keine Fiktionen. Ohne Fiktion keine Wahrheit. Ohne Wahrheit kein Tod. Ohne Tod kein Leben. Ableitung: „Was ist ein Bild?


17. – 31. Juli
Zwei Wochen auf der Insel. I´m the star of CCTV. St.Pancras und der geköpfte König. In Londons Unterwelt schimmert ein Licht am Ende der Tunnel. Virginia Woolf lockt unwiderstehlich in die Oxford Street. Auf dem grünen Hügel wird mit Keats gebadet. Gaudy Night und ein Traum von riesenhaften Söhnen in Oxford. Rot-blonde Männerschönheit als „interesseloses Wohlgefallen“: Tate und Tate Modern.  Wikileaks releases Afghanistan War Logs. Rude Britain. Die Zähmung der Widerspenstigen in Coram´s Field: „Do you really want to hurt me?“ Cornwall mit Sherlock, aber ohne Rosamund. Ikea-Art vs. Zartheit und Feuer: Landscape and Workmanship. Wunderkammer reloaded. Last but not least: Admiral Benbow hört ABBA. Here we go again.

11. August
Es muss auch Choleriker geben. Die kann zwar keiner leiden, aber ohne sie säßen die freundlichen Deppen und die traurigen Chiller immer noch in den Höhlen. Der Choleriker ist die Hefe, die den trägen Teig aufplatzen lässt. That´s me (sometimes). In Deutschland tobt das Rentnerparadies, wenn es ins Kameraauge von Google Streetview blickt: Wutbürger underway.

18. August
Erwachsene, aber nur mittelgroße Frauen werden zum Bear hug-Training jugendlicher Möchtegern-Wrestler missbraucht. Darum sollte sich auch mal jemand kümmern. Die Menschenrechte der Ge(Ver-)worfenen.

15. September
Naturgeile Lippen bei Facebook entdeckt. Wenn das mal nicht Amazing ist. „Cool down, Mum, es geht immer noch schlimmer.“ In B. bei H. standen 8 Polizeiwagen vor der Tür. Die Fassadenwand vollgekotzt. Alles auf youtube dokumentiert. „Stell dir mal vor, wie´s dessen Eltern geht.“ Die Mutter ist immer schuld. (Querverweis:  Artgerechte Männerhaltung)

12. Oktober
In Afghanistan wird eine britische Geisel vermutlich durch „friendly fire“ amerikanischer Truppen getötet. Im Goethehaus  Frankfurt kann eine Ausstellung zu Wilhelm Meister nicht überzeugen. Auf der Baustelle am Technischen Rathaus  wird  ein entzückender Bub angetroffen, der willig und frei ist.  Glenn Greenwald erhält einen Preis für seinen Online-Beitrag über den Fall Bradley Manning.

23. Oktober
Strange feelings. Die Macht der Ohnmacht. „The boys will take care of their mother.“ Ein Vertrag über Masterminds Austauschprogramm  für Sommer 2011 wird unterzeichnet. Kanadas eingliedriges Schulsystem sorgt weltweit für die zweitbesten Ergebnisse im PISA-Test. Doch die CDU bekräftig erneut, dass das ständische Schulwesen Deutschlands zukunftsfähig sei. Noam Chomsky erklärt, Bradley Manning sei ein Held unserer Tage, falls er getan habe, was ihm vorgeworfen wird.

6. November
Statt nach Dannenberg zu fahren oder sich an Gleise zu ketten, werden Guido Rohm und Seraphe in Melusines Casino empfangen. Das hat Folgen: hier und hier.  

14. November
In Begleitung eines ungewöhnlich gutaussehenden, aber brutalen Bikers auf der Halloween-Nachfeier von K. und O. Gegrillte Marshmallows und Maulwürfe. Mercedes Benz, ist zu lesen, wird den Shooting Brake bauen. (Googeln Sie selbst.)

20. November
Die Georgische Post steht zum Verkauf, doch  im Hause Barby-Ghiberti wird eine Entscheidung über deren Ankauf vertagt. Die amerikanischen Streitkräfte in Afghanistan gehen neuerdings mit Kampfpanzern gegen  Taliban vor.  Zivile Opfer können  wie immer nicht ausgeschlossen werden.

22. November
In der schweizer Zeitung ist der Artikel erschienen, den R.R. über eine glückliche Begegnung, das Internet, die Bloggerei  und Frau Barby (als F.) schrieb. Alles wahr und doch so fremd. 

28. November
Wikileaks veröffentlicht gleichzeitig mit New York Times, Guardian, Spiegel und Le Monde Auszüge aus dem e-mail-Verkehr von Diplomaten der Vereinigten Staaten von Amerika. Cablegate. Der Himmel bewölkt sich und bereitet den Ausfall der ersten Schneeflocken vor. Aus dem Norden kommt Mutters Plätzchen-Paket. Und all unsere Liebe, mein Kind, sagt der Vater. Die ARD feiert auch: 40 Jahre TATORT. Morel feiert mit.

8. Dezember 2010
Pädagogisch erzwungene Erfahrung in fremden Ländern lehrt deutsche Gymnasiasten: Da leben auch Menschen im Ausland.  Am 3. Dezember ist Wikileaks die Domain wikileaks.org  vom durch Amazon betriebenen Server entzogen worden. Am 4. Dezember hat PayPal das Konto der Wau Holland-Stiftung, die Wikileaks unterstützt, gesperrt. Am 6. Dezember wurde durch Mastercard der Transfer von Geldern für Wikileaks eingestellt und PostFinance sperrte in der Schweiz das Konto von Wikileaks „editor in chief“ Julian Assange.  Assange stellt sich einen Tag später der Polizei in London, weil er durch einen europäischen Haftbefehl  wegen Vergewaltigungsvorwürfen zweier Frauen aus Schweden gesucht wird. Am gleichen Tag teilt VISA mit, dass kein Geld mehr an Wikileaks überwiesen werde.

12. Dezember 2010
Verschwörer-Treffen bei BenHuRum. Conspiracy as governance. Unter den Papp-Skulpturen wird Geschichte gemacht. Die Übergriffe auf Christen in Nigeria kann der Segen des BenHuRums jedoch nicht verhindern.

18. Dezember 2010
Verschneite Wege im Garten der Empfindsamkeit. Auch der Eremit ist ganz allein. Wer jetzt keinen Weg geschippt hat, wird nicht mehr gehen. Aus dem Osten grüßt Alfred Harth. Ein Päckchen Ginkgo-Samen ist östwestlich unterwegs. Land auf, Land ab ist von der Guido-Dämmerung die Rede. Doch Rohm ist nicht gemeint.

24. Dezember 2010
Geschenke schon am Vorabend verpackt. (auch „Zettels Traum“, Dr. NO!). Wie immer die Hektik. Der Baum. Die Lichterkette. Schließlich ein Bad. Nichts Neues aus dem Osten. Im Westen steht die Freiheit auf dem Spiel. Im Feuilleton der FAZ darf ein rechtsradikaler Rassist (dessen Namen hier nicht genannt wird) seine kruden Thesen noch mal vertreten. Von dieser Zeitung wurde hier indes nie Besseres erwartet. Aus dem Geschenkpapier winken die Putti: „Boys peeping at Nature.“ Enlightment.

http://gleisbauarbeiten.blogspot.com/2010/10/zur-feier-der-bedeutungslosigkeit.html
Oktober 2010, Berlin


Zwischen den Jahren wird die Stimmung gesucht. Alles bleibt anders. Auf ein Neues. Jahr. Hoch die Tassen! Liebe. Lüge. Libido. Herz. Hand. Hof. WiesoWeshalbWarum. Wer nicht fragt, bleibt dumm! Bis dann...Der Ehrenkodex gilt weiter: Fakten.Fakten.Fakten. (Fuck!).

(not you)


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1 Kommentar:

  1. Die Art & Weise, wie Sie Politisches in Ihre Blogarbeit miteinfliessen lassen, finde ich sehr lobenswert! Auf dem Foto ist deswegen wohl auch Adornos Schreibtisch (unter Glas). Ich konnte bisher dieses angemesse & ästhetisch gelungene Denkmal leider bisher noch nicht anschauen, hörte nur davon. Es sollten nochmehr solche Denkmäler aufgestellt werden: Der „Schreibtisch“ von Platon wird sich ganz sicherlich anders darstellen lassen, als der von Hegel oder heutzutage (ja, von wem?) Chomsky (vielleicht?) mit (nur) einem iPad (& ohne Tisch, fast wieder wie bei Platon...).

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